Gefahr einer Schwächung
der Aussiedlerarbeit

 

In der August-Ausgabe dieser Zeitung hatte Dr. Thies Gundlach, Vizepräsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die Entscheidung des Rates der EKD erläutert, keinen neuen Beauftragten für Aussiedler und Heimatvertriebene zu berufen. Hierauf reagiert Reinhard Schott, Vorsitzender der Konferenz der Aussiedlerseelsorge der EKD (KASS), nun mit einem Gastkommentar.

 

Die Konferenz der Aussiedlerseelsorge in der EKD freut sich darüber, dass ihre Arbeit seit mehreren Jahrzehnten vielen zugewanderten Deutschen aus der ehemaligen Sowjetunion zu Gute kommt. Dies ist vor allem dem seelsorgerlichen Einsatz einzelner Pfarrer und Pfarrerinnen, den Diakonen und Diakoninnen und Ehrenamtlichen zu verdanken, die mit interkulturellem Gespür, menschlicher Offenheit und Empathie in den Übergangswohnheimen und lokalen Gemeinden viele Neuankommende unterstützen. Wir sind daher sehr dankbar, dass die Arbeit mit Spätaussiedlern heute in vielen Gemeinden der EKD zum Alltag gehört. Aussiedlerseelsorgende wissen, wie schwer das Erfahrungsgepäck, das aus der diktatorischen Sowjetunion mitgebracht wurde, bis heute noch wiegt. Sie wissen, dass oft auch die Enkelgeneration familiär davon betroffen ist, und wie viel seelsorgerliche Zuwendung, Gespräche, Inte­gration und Vermittlung bis heute notwendig sind, um Wunden zu lindern.

 

Diese Arbeit fußt auf der jahrzehntelangen Erfahrung und Koordination der Aussiedlerarbeit in den Gliedkirchen, deren EKD-weite Vernetzung durch die KASS theologisch und kooperativ gesichert wird. Dabei hat der Beauftrage stets eine sehr wichtige Kontaktfläche sowohl nach innen zum Rat als auch nach ­außen zu Politik und Gesellschaft geboten. Diese Vermittlungsarbeit eines Beauftragten des Rates fehlt nun leider. Mit enormem Wissen engagierten sich die bisherigen Amtsinhaber für die größte Migrationsgruppe innerhalb der EKD. Spezifische Fragen zur besonderen kulturellen Tradition und nach der eigenen religiösen Identität, die politische Bildung und gesellschaftliche und kirchliche Bindung, religiös-ethische Diskurse oder die Pflege mentalitätsgeschichtlicher Eigenständigkeit bedürfen besonderer Aufmerksamkeit. Immer zielte das Wirken auch darauf, die nächsten Generationen in eine aktive Rolle in der Gemeindearbeit zu führen. Wir sind den bisherigen Beauftragten des Rates für diese Arbeit sehr dankbar.

 

Nach wie vor gibt es sowohl praktisch im Kontakt mit einzelnen Menschen als auch konzeptionell in kirchlichen Organen und in Zusammenarbeit mit der Politik viel zu tun, wozu es auch kirchenleitend sowohl eines Problembewusstseins als auch einer soliden Fachkenntnis bedarf. Gerade an dieser Stelle integrativer kirchlicher Arbeit sollte das Ziel der Gestaltung und Umsetzung gelebter Vielfalt innerhalb unserer Kirche nicht aus den ­Augen verloren gehen. Die Arbeit der KASS hat mit dem Beauftragten des Rates hierfür leider ­einen wichtigen Kommunikator im vielfältigen multikulturellen Leben der EKD verloren.

 

Der Vorstand der KASS sieht in der Entscheidung des Rates die Gefahr einer Schwächung der Aussiedlerarbeit und bedauert, dass die Entscheidung des Rates entgegen dem Wissen und der Einschätzung der im Arbeitsfeld tätigen Personen aus den Landeskirchen gefallen ist.

 

Reinhard Schott für den Vorstand der Konferenz

der Aussiedlerseelsorge der EKD

 

 

 

 

 

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