Die Brandkatastrophe
von Kasparus

 

Im neuen Westpreußen-Kalender für das Jahr 2021 bildet die kleine Fachwerk-Kirche von Kasparus, Kreis Pr. Stargard, das Motiv des Dezember-Blattes. Niemand konnte sich vorstellen, dass dieser Bau noch vor Beginn des neuen Jahres untergehen und seine Abbildung gleichsam zu einem historischen Dokument werden könnten: In der Nacht zum Silvester-Tag 2020 ist die katholische St. Josef-Kirche weitestgehend niedergebrannt.

Acht Stunden lang haben 16 Feuerwehren aus der Umgebung gegen die Flammen angekämpft. Sie konnten aber kaum etwas ausrichten. Von der Holzkonstruktion des Gebäudes blieb nur noch ein fragmentarisches Skelett stehen, und von der gesamten Innenausstattung war überhaupt nichts zu retten. Die Ermittlungen haben bislang nur ausschließen können, dass die Katastrophe auf einen elektrischen Kurzschluss zurückzuführen sei. Eine andere Ursache ließ sich bislang noch nicht exakt bestimmen, so dass immer noch eine vorsätzliche Brandstiftung im Bereich des Möglichen liegt.

Das Dorf Kasparus wurde urkundlich erstmals im Jahre 1664 erwähnt, und der Name könnte von einem der ersten Siedler, einem Teerbrenner, stammen. In der Geschichte der deutsch-polnischen Nationalitätenkonflikte spielt der Ort eine größere Rolle, weil hier im Jahre 1907 ein Schulstreik gegen die zu schroffe Germanisierungspolitik organisiert wurde, der damals größeres Aufsehen erregte und bis heute in Erinnerung geblieben ist. Im Zweiten Weltkrieg schließlich hatte hier eine Gruppe polnischer Partisanen ihr Quartier. Heute ist Kasparus, das mit den meisten anderen Dörfern das Schicksal eines stetigen Bevölkerungsschwundes teilt, vor allem als reizvoller Ort in der Tucheler Heide bekannt.

Die St. Josef-Kirche war für viele Besucher eine ausgesprochene Attraktion, denn der mit Klinkern ausgemauerte Fachwerkbau galt als Perle der ländlichen Sakralarchitektur. Er gehörte nicht zu den vielen Dorfkirchen dieser Art, die bereits im 19. Jahrhundert entstanden: Die ersten Pläne stammten aus dem Jahre 1912, und errichtet wurde das Gotteshaus schließlich erst 1926, als Kasparus schon polnisch geworden war.

An der Westseite stand ein hölzerner Turm, die Glocken aber waren in einem separaten, neben dem Eingang aufgestellten Glockenstuhl untergebracht. Das Dach krönte ein Dachreiter, und an der Ostseite befand sich ein kleiner polygonaler Chor. Im Inneren wurde der Bau durch Holzpfeiler quasi in drei Schiffe aufgeteilt und war mit blauer und gelber Farbe geschmackvoll angestrichen. Die Ausstattung bestand aus drei Holzaltären, die von regionalen Bildhauern in den 1920er Jahren angefertigt worden waren. Eine Orgel existierte zwar nicht, wohl aber ein Harmonium, an dessen Stelle in letzter Zeit ein elektronisches Musikinstrument getreten war. Auch der Taufstein und Gemälde mit der Darstellung der Kreuzweg-Stationen verstärkten den Eindruck eines ansprechend ausgestalteten Kirchenraums. 2013 schließlich wurde das Gebäude nochmals sehr gründlich instandgesetzt und restauriert.

Die langjährigen Mühen der ungefähr 150 Mitglieder zählenden Pfarrgemeinde, die sich ehrenamtlich um ihr Gotteshaus kümmert – und zu den kleinsten in ganz Polen gehört –, sind nun in einer Nacht zunichte gemacht worden. Dieser Schicksalsschlag hat in Polen große Aufmerksamkeit gewonnen, denn die Bilder von dem lichterloh brennenden Bauwerk, die am 31. Dezember von den Medien verbreitet wurden, bewegten viele Fernsehzuschauer und Zeitungsleser sehr nachdrücklich. Vor diesem Hintergrund hat der Pfarrer aus Osiek und Kas­parus, Dariusz Ryłko, gemeinsam mit dem Kreis Pr. Stargard eine Spendensammlung mit dem Ziel ins Leben gerufen, die kleine Kirche möglichst bald wiederzuerrichten. Diese Aktion wird auch von der Denkmalschutzbehörde der Woiwodschaft Pomorze und den beiden Abgeordneten Kacper Płażyński und Kazimierz Smoliński unterstützt. So lässt sich hoffen, dass die in Schutt und Asche gelegte St. Josef-Kirche von Kasparus bald wieder ein Kleinod der Tucherler Heide bilden kann.

Bartosz Skop

 

 

 

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Historisierende Collage (Adobe Stock) Wahlprognosen und Stimmzettel (Adobe Stock)